AUFGELESEN
SPD- Generalsekretärin warnt vor Dammbruch
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warnt im Hinblick auf die bevorstehende gesetzliche Regelung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) vor einem Dammbruch und fordert eine stärkere Unterstützung von Menschen mit Behinderung. In einem Interview mit der Online-Zeitung „Freie Welt“ (16.05.2011) sagte Nahles: „Bei Zulassung der PID droht ein ‚Dammbruch‘. Ein Dammbruch, den ich nur schwer erträglich finde.“ Sie selbst unterstütze den PID-Verbotsantrag „aus dem tiefen Glauben daran, dass jedes menschliche Leben gleich viel wert ist.“
SPD-Generalsekretärin äußerte in mehrfacher Hinsicht Bedenken an einer Zulassung der PID: So stelle sich etwa das Problem, „dass immer mehr Embryonen erzeugt werden müssen, als eingepflanzt werden können“. Die Frage, was mit den sogenannten überzähligen Embryonen passiere, sei vollkommen unbeantwortet, meinte Nahles.
„Derzeit reden wir nur über die wenigen Fälle von schweren Erbkrankheiten. Wer sagt aber, dass es dabei bleibt?“, so die Sozialdemokratin. Zwar sei man sich im Bundestag „weitgehend einig“, dass es nur wenige Ausnahmen geben solle. Es sei jedoch ein zutiefst menschlicher Wunsch, ein gesundes Kind nach eigenen Vorstellungen zu haben. „Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der menschliche Defizite als etwas ‚anormales‘ angesehen werden“, machte Nahles deutlich.
Sie verwies auch auf die mangelnde Aussagekraft der PID: International gebe es bislang noch keine Studie, die belege, dass durch PID die Zahl der Fehlgeburten oder Schwangerschaftsabbrüche insgesamt gesenkt werden kann, argumentierte Nahles. „Fehl- und Totgeburten können neben genetischen auch hormonelle oder organische Ursachen haben, denen durch die PID nicht abgeholfen werden kann. Zudem ist es bei vielen genetischen Störungen schwierig, die Überlebensfähigkeit eines Kindes bzw. seine Lebenserwartung exakt zu prognostizieren.“
Anstatt die PID zu erlauben sieht die SPD-Generalsekretärin dringenden Handlungsbedarf bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderung: „Viele Familien mit behinderten Kindern erhalten heute vom Staat und der Gesellschaft immer noch nicht die Unterstützung und Hilfe, die sie verdienen. Statt den Ausweg in einer Auswahl nach genetischen Qualitätsmerkmalen zu suchen, ist es unser Ziel, Menschen mit schweren Krankheiten und Behinderungen und ihren Angehörigen bestmöglich zu unterstützen und ein weitestgehend normales und gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen.“
Diese Unterstützung sollten auch die Paaren erhalten, „die mehrfach Tot- oder Fehlgeburten erleiden müssen“. Die Zulassung der PID sei hier keine Option, „weil ihre negativen gesellschaftlichen Auswirkungen die positiven weit überwiegen würden“, so Andrea Nahles weiter.
Das vollständige Interview mit SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im Wortlaut finden Sie hier.