BERICHT

Fünf Gründe gegen PID

Kurz und prägnant. So liest sich die Stellungnahme der Juristen-Vereinigung Lebensrecht (JVL) zur Präimplantationsdiagnostik (PID). In der Expertise der 1984 von Juristen verschiedener Fachrichtungen gegründeten Vereinigung führen die Rechtsgelehrten fünf Punkte an, die aus ihrer Sicht gegen eine gesetzliche Zulassung der PID sprechen.


Gleich zu Anfang wird hervorgehoben, dass auch der im Labor erzeugte Embryo „Träger der Menschenwürde und des Rechts auf Leben“ sei. „Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu“ und „es ist nicht entscheidend, ob der Träger sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst zu wahren weiß. Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen“, zitieren die Juristen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Da „alle Erkenntnisse der Embryologie“ dafür sprächen, im menschlichen Embryo einen „Menschen im Anfangsstadium seiner Existenz zu sehen“, verbiete sich auch „jegliche Differenzierung der Schutzverpflichtung mit Blick auf Alter und Entwicklungsstand dieses Lebens“ (BVerfGE 88, 203, 267).

Ein besonderes Augenmerk richtet die Stellungnahme auch auf die Rechte und Pflichten von Eltern. Eltern besäßen „kein Verfügungsrecht über ihre Nachkommen“. Durch die Erzeugung der Embryonen entstehe eine „Elternverantwortung“. Diese bestehe „immer darin, das Kind in seiner jeweiligen Eigenart anzuerkennen und anzunehmen“. Sie sei „gerade dann gefordert, wenn genetisch bedingte Fehlbildungen und Erkrankungen vorliegen und deshalb in besonderer Weise Hilfe und Unterstützung erforderlich sind“, heißt es etwa in der Stellungnahme. Und weiter: Das „natürliche Bestreben, Krankheiten zu vermeiden und zu bekämpfen, sowie der Wunsch gesunde Kinder zu haben“, rechtfertigten es nicht „kranken Kindern die Menschenwürde und das Lebensrecht zu bestreiten und sie unversorgt sterben zu lassen.“ Diese „Selbstverständlichkeit“ gelte „in gleicher Weise für ungeborene Kinder und Embryonen“. Daher gebe es auch „keine rechtlich ungebundene, freie Entscheidung der Mutter darüber, ob und gegebenenfalls welche Embryonen sie austragen möchte.“

Unter die Lupe wird auch der mit den Reproduktionsmedizinern geschlossene Behandlungsvertrag genommen. Laut der JVL liege das „Wesen eines PID-Behandlungsvertrages“ eben nicht „darin, eine Schwangerschaft herbeizuführen“, da dies „auch ohne PID möglich“ wäre. Stattdessen sei der PID-Vertrag „darauf gerichtet, genetisch belastete Embryonen vom Embryotransfer auszuschließen“. Er habe daher „von vornherein selektiven Charakter“. Damit verstoße die PID jedoch „nicht ‚nur’ gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben, sondern auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz“. Weil im Rahmen der PID „den genetisch nicht erwünschten Embryonen gerade wegen ihrer genetischen Konstitution der Transfer in die Gebärmutter verweigert“ werde, liege „ein Verstoß gegen das spezielle Diskriminierungsverbot“ nach Artikel 3, Absatz 3, Satz 2 GG vor („Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“), argumentieren die Juristen.

Mit der „Schutzpflicht des Staates“, die dieser für das menschliche Leben besitze, sei es „unvereinbar, künstliche Befruchtungen ohne individuelle Übertragungsabsicht für den einzelnen Embryo zuzulassen“. Die Juristen begründen dies damit, dass zum Zweck der PID Embryonen erzeugt werden, „ohne dass in jedem Einzelfall ihre Weiterentwicklung gesichert ist“. Vielmehr erfolge ihre Zeugung quasi „auf Probe“, da „die weitere Existenz der Embryonen vom Ergebnis der genetischen Überprüfung abhängig gemacht“ werde. Dies stelle „einen Missbrauch der In-vitro-Fertilisation“ dar. Die Juristen fordern stattdessen, der Gesetzgeber müsse „in dieser Situation seine Schutzpflicht für menschliche Embryonen in der Weise wahrnehmen, dass er schon die Erzeugung von Embryonen verbietet, die ersichtlich in diskriminierender Weise ‚aussortiert’ und ihrem Schicksal überlassen werden sollen.“ Eine „andere Möglichkeit, dem Rechtsstatus menschlicher Embryonen gerecht zu werden“, bestehe darin, „wenigstens den diskriminierenden Gentest zu untersagen.“

Ausführlich setzt sich die JVL in ihrer Stellungnahme auch mit dem von Befürwortern der PID ins Feld geführten Argument des so genannten „Wertungswiderspruchs“ auseinander. So heißt es in Expertise: „Das scheinbar ‚überzeugendste’ Argument für eine Zulassung der PID ist der Verweis auf die später im Verlauf der Schwangerschaft noch mögliche Pränataldiagnostik mit anschließender Abtreibung gemäß § 218a Absatz 2 StGB. Es wird behauptet, ein PID-Verbot führe insoweit zu einem ‚Wertungswiderspruch’.“ Dem halten die Juristen entgegen: Die medizinische Indikation des § 218a Absatz 2 StGB könne „nicht als Erlaubnis zur gezielten Selektion von ungeborenen Kindern mit genetischen Schäden interpretiert werden“. So sei bei der Neuregelung des Abtreibungsstrafrechts im Jahr 1995 „die frühere ‚eugenische Indikation’ gestrichen und „hervorgehoben“ worden, „dass Behinderungen keinesfalls die Tötung ungeborener Kinder rechtfertigen dürfen.“

Die Juristen halten daher fest: „Wer die Geburt eines gesunden Kindes dadurch ‚erzwingt’, dass bewusst Schwangerschaften herbeigeführt und immer wieder abgebrochen werden, bis ein nachweislich gesundes Kind heranwächst (‚Schwangerschaft auf Probe’), missbraucht in menschenverachtender Weise die Pränataldiagnostik und die medizinische Indikation zum Schwangerschaftsabbruch.“ Dieses Vorgehen sei „keineswegs erlaubt“ und dürfe daher auch „nicht zum Maßstab für den Umgang mit Embryonen im Rahmen der Fortpflanzungsmedizin gemacht werden.“ Vielmehr sei § 218a Absatz 2 StGB nur anwendbar, „wenn die Konfliktsituation nicht auf ‚andere zumutbare Weise’ abgewendet werden kann.“ Bei der PID sei „ein das Leben achtendes ‚Alternativ-Verhalten’ aber jederzeit möglich, indem auf die Zeugung von Embryonen verzichtet wird, wenn von vornherein klar ist, dass ein Transfer bei entsprechendem Gentestergebnis nicht in Frage kommt.“

Gerade weil bei einer angestrebten künstlichen Befruchtung – anders als bei einer ungewollten Schwangerschaft – die Möglichkeit bestehe, vorausschauend auf eine Konfliktlage zu reagieren, können der Gesetzgeber bei der PID „regulierend eingreifen und verlangen, dass die Erzeugung von ‚zur Disposition’ stehenden Embryonen von vornherein unterbleibt“, zitieren die Juristen aus dem Schlussbericht der Enquete-Kommission (Bundestagsdrucksache 14/9020, S. 112).

Zusammenfassend kommen die Juristen zu dem Urteil: „Die PID ist der Sache nach eine missbräuchliche Nutzung der In-vitro-Fertilisation und eine missbräuchliche, diskriminierende Behandlung menschlicher Embryonen.“ Der Gesetzgeber sei daher „aufgerufen, schon die bewusste Erzeugung von Embryonen mit dem Ziel der genetischen Selektion durch eine gesetzliche Regelung zu verbieten. Zumindest sind genetische Untersuchungen, die eine Selektionsentscheidung ermöglichen sollen, zu untersagen. Dies verlangt die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde, des Rechts auf Leben und des Diskriminierungsverbots.“

Die vollständige Stellungnahme finden sie hier.